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Zürcher Quartett

Gessnerallee
Wasserplatz (Sihl – Schanzengraben)
Europaallee 
Lettenareal
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Es ist eine Besonderheit meiner beruflichen Karriere, dass sich berufliche Aktivitäten und ein Schwerpunkt der Projekte immer wieder im Umfeld des Zürcher Hauptbahnhofs situiert haben. Alles begann mit der intensiven Auseinandersetzung im Rahmen meiner Diplomarbeit «Kasernenareal Zürich» (ITR, Fachhochschule Rapperswil). Dem Diplom folgten zwei nacheinander gewonnene Wettbewerbe für das Areal – beide Male leider ohne Umsetzung. 
Ein Seiteneffekt aber war die Beauftragung für die Neugestaltung der Gessnerallee durch Kanton und Stadt Zürich. Die nachfolgende Planungsstudie für den Sihlraum öffnete die Tür für ein Neudenken der städtebaulichen und hydrologischen Schlüsselstelle beim Zusammentreffen von Sihl und Schanzengraben und machte den Weg frei für die Neugestaltung und den Umbau dieses Bereichs zu einem Wasserplatz direkt vor dem Hauptbahnhof. Auch diese ist schon zu einer Selbstverständlichkeit im Zürcher Stadtbild geworden. Die nordseitige Sitztreppe zur Sihl hinab ist noch im Bau; sie ist ein Kernelement und bildet den Schlussstein der Europaallee hin zur Sihl. Rund 20 Jahre (!) dauerte es, bis auf Basis des gewonnenen Studienauftrags der heute superurban funktionierende Raum der Europaallee herangewachsen war. Mit der «Europfütze» (so nennt sie der Volksmund; im Trip Advisor heisst sie Europuddle!) ist am Gullplatz im hinteren Teil der Allee das augenzwinkernde Momentum einer konturlosen Wasserfläche entstanden. Sie fordert allzeit zur spielerischen Nutzung und Aneignung auf. 

Wesentlicher Bestandteil des Zürcher Quartetts ist nicht zuletzt das Lettenareal, dieser geschichtsträchtige, mehrfach umgewidmete schmale, sehr intensiv genutzte Park am Oberwasserkanal der Limmat. Er ist zur ungezwungenen Bade-, Freizeit-, und Ausgehmeile für Zürcherinnen und Zürcher geworden. Seit über 20 Jahren funktioniert er als unambitioniert gestalteter, selbstverständlicher Teil der Zürcher Freiraumsequenz entlang der innerstädtischen Flussläufe. 

In ihrem Zusammenspiel bilden die vier Karten des Zürcher Quartetts so etwas wie das innerstädtische Freiraumgerüst für das Herz von Zürich. Für sich alleine stehend und in ihrem Zusammenspiel sind sie der lebendige Beweis dafür, dass «Verdichtung mit Qualität» ein taugliches Mittel ist, um urbane Dichte nicht nur erträglich, sondern geradezu lebens- und begehrenswert zu machen!

Foto: KCAP

 
 
Gessnerallee
2001-2005

Projektdaten

 

Verfasser: Rotzler Krebs Partner

Wasserbau: Staubli, Kurath & Partner, Wasserbau, Zürich

Realisierung: 2001-2005

Auftraggeberin: Stadt Zürich (Grün Stadt Zürich), Kanton Zürich (AWEL, Denkmalpflege) 

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Mit dem Abbruch des Parkhauses über der Sihl und dem Bau eines Parkhauses tief unter der Gessnerallee ergab sich die einmalige Chance, das Sihlufer wieder zugänglich zu machen. 

Mit dem Vorschlag einer langsam ins Wasser abtauchenden Sitztreppe gaben wir dem Ort eine Gestalt und eine neue Identität. Mit wenigen Schritten kann man/frau aus dem lärmigen Strassenraum ins Kraftfeld des Flusses abtauchen. Meistens steht hier unten ein Reiher und fischt sich frische Fische aus dem Fluss. Kräftige Weiden steigen aus der naturräumlichen Flusslandschaft hinauf auf den Stadtboden und beschatten die begehrten Sitzstufen.

Foto: Jürg Egli

 
 

Lettenareal

2002-2005

Projektdaten

 

Verfasser: Rotzler Krebs Partner

Realisierung: 2001-2005

Auftraggeberin: Stadt Zürich

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Mit seinem Namen verweist der Letten auf den ursprünglich hier getätigten Lehmabbau. Auf die Ziegelherstellung folgte eine Nutzungsphase als Bahnareal. Sie gab dem Letten die Gestalt einer langen «linearen Partitur». Mit dem Bau des Zürcher S-Bahnnetzes wurde das Areal frei für Folgenutzungen. Als erste Besetzter kamen dann aber die Junkies: Sie etablierten hier die landesweit berüchtigte Drogenszene «Needle-Park».

Nach der Verfüllung des Eisenbahntunnels mit Aushubmaterial wurde ein kooperativer Planungsprozesses angestossen, der alle Interessen und Bedürfnisse aus dem Quartier abholte. Für uns als Projektverfasser galt es, eine intensive Freizeitnutzung am Fluss mit der Bedeutung des Areals als extensiver Lebensraum für die wichtigste Eidechsenpopulation nördlich der Alpen zu kombinieren. Beiden «Nutzergruppen» – Eidechsen und Eidgenossen –  ist gemeinsam, dass sie wärmeliebend und sonnenhungrig sind. Die den Eidechsen zustehenden Flächen wurden mit grobem Bahnschotter ausgebildet; für die Badebereiche wurden weich abgesandete Barfussbereiche geschaffen. Grenzüberschreitungen (Echsen geniessen und Genossen exen) sind erwünscht und werden auch praktiziert. 

Zur Unterstützung der räumlichen Identität erhielten die Gestaltungselemente eine konsequente Längsausrichtung in Form einer langen Sitzstufenanlage aus rhythmisch platzierten Treppenelementen, die sich zwischen bestehende Bäume schiebt. Oder die dicht gepflanzten Bänder aus mehrstämmigen Birken, die einen durchlässigen Blättervorhang bilden und als willkommene Schattenspender dienen. Alle gestalterischen Elemente schieben sich aneinander vorbei und lassen die Dynamik von fahrenden Eisenbahnzügen auf den ehemaligen Gleissträngen anklingen. 

Das Besondere am Letten ist seine völlig selbstverständliche, ungekünstelte Gestalt sowie seine hochgradige Funktionalität als sozialer Raum. Das grösste Kompliment für uns als Gestalter ist sicher die Tatsache, dass man dem Letten den Akt der Gestaltung gar nicht mehr anmerkt: Er ist ein ganz selbstverständlicher und intensiv genutzter Teil der Stadt.

Foto: Isabel Rotzler

 
 

Wasserplatz
2003-2020

Projektdaten

 

Verfasser: Rotzler Krebs Partner

Projektpartner: Flussbau AG, Zürich

Studie Sihlraum: 2003

Realisierung: 2017-2020

Auftraggeberin: Kanton Zürich (AWEL) 

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Visualisierung: Raumgleiter, Zürich

1975 beklagte der Zürcher Schriftsteller Hugo Lötscher in einem vielbeachteten Pamphlet in der NZZ den unbedarften Umgang der Zürcher mit «ihrer» Sihl: Der stadtprägende Flussraum war zur Unkenntnis drangsaliert und eingezwängt worden, in der Allmend Brunau von der Sihlhochstrasse gedeckelt und an der Gessnerallee mit einem Parkhausmonster überdeckt. Lötschers Appell wurde gehört und in den folgenden Jahrzehnten fand ein sukzessives Umdenken statt. Im Rahmen einer Planungsstudie für den gesamten innerstädtischen Sihlraum konnten wir ab 2003 die hydrologischen und städtebaulichen Vorteile einer revitalisierten «wilden» Sihl aufzeigen und entsprechende Bilder entwerfen. Sie waren Grundlage für die Neukonzeption bzw. Neugestaltung des unteren Sihllaufs und die Schaffung eines «Wasserplatzes» beim Zusammenfluss von Sihl und Schanzengraben direkt vor dem Hauptbahnhof. 

In einem hydrologischen Modellversuch an der ETH konnte belegt werden, dass es einer Trennmauer zwischen den beiden so unterschiedlichen Fliessgewässern gar nicht bedarf. Was für ein toller Moment, als endlich die Bagger auffuhren und der Zusammenfluss der beiden Gewässer wieder erlebbar wurde! Jetzt dürfen sich das majestätisch blaugrün fliessende Seewasser aus dem Schanzengraben und die träg fliessende, bei Unwettern rasch anschwellende, braune Sihl wieder nach eigenem Ermessen durchmischen. Bald wird auch die Velounterführung unter dem Bahnhof hindurch eröffnet – ihr Rohbau war vorsorglich für den Bau der Autobahntrasse an dieser Stelle erstellt worden («Sihltiefstrasse»). Nach Abschluss der Bauarbeiten am Velotunnel kann endlich die breite Sitztreppe hinab an die Sihl gebaut werden, mit ihr der Schlussstein der Europaallee gesetzt und die hydrologische Inszenierung mitten im Herzen von Zürich von nahem bewundert werden.

 
 

Europaallee
2005-2017

Projektdaten

 

Verfasser: Rotzler Krebs Partner, ab 2014 Krebs und Herde

Projektpartner: KCAP, EWP AG

Studienauftrag: 2005

Realisierung: 2012-2017

Auftraggeberin: SBB, Stadt Zürich

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Visualisierung: Raumgleiter, Zürich

Die Europaallee ist ein hartes Pflaster – im wahrsten Sinne des Wortes… Der viele Asphalt ist uns als Wettbewerbsgewinner und Verfasser des Projekts denn auch zur Genüge um die Ohren gehauen worden: «Genau so darf er nicht sein – der klimagerechte Stadtraum im 21. Jahrhundert!» «Alles versiegelt, alles schwarz, kein Grashalm…»

So oder ähnlich tönte das Bashing, das durch die Fachpostillen rauschte und aus besorgten Bürgerkehlen erklang. Da kann man/frau eigentlich gar nicht argumentieren – denn die Meinungen sind gemacht. Das beste Korrektiv für so viel Unverständnis und Besorgnis bietet die Europaallee übrigens selber: Sie lebt wie kein anderer Stadtraum in Zürich. Und mit einem Augenzwinkern empfängt die «Pfütze» (im Tripadvisor «Europuddle» genannt) ihre Besucher. Konturlos schwappt sie in den Platzraum und lädt zu zaghaften Begehungen, kühlen Kinderbädern, fröhlichem Hundespiel, wildem Ritt auf dem Surfbrett oder Traversierungen mit dem Bike ein. Hier wird Zürich ganz weich und sinnlich.

Ein bisschen wie am Strand sollte es werden, dieses Gefühl an der Wasserkante, wenn die leichten Wellen heranschlagen und ein entrücktes Feriengefühl entsteht. Damit im engen Geflecht von Vorschriften so viel entspannte Gemütsverfassung möglich wird, ist ein nicht zu unterschätzender Pflegeaufwand nötig. Schön, dass er von SBB und Stadt Zürich geleistet wird.

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